Bettina Wündrich: „Entfalte Deine Talente“

Bettina Wündrich Entfalte deine Talente

Gastbeitrag von SCRIBERS[HUB] Autorin Bettina Wündrich

 

Wenn wir den Beruf gefunden haben, den wir lieben, sollten wir nicht über die Umstände jammern – sondern verändern, was uns daran hindert, unseren Beruf so auszuüben, dass er uns zum Wachsen bringt.

Weshalb ich meinen Beruf so liebe? Darauf wusste ich lange Zeit keine befriedigende Antwort. Weder schlägt in mir ein Reporterherz, wie zum Beispiel bei in den mutigen ReporterInnen, die für die Wahrheit ihr Leben riskieren. Noch bin ich ein Recherchefuchs wie zum Beispiel all die tollen KollegInnen bei CORRECTIV, dieser unabhängigen Redaktion, die im Netz gezielt verbreitete Unwahrheiten aufdeckt. Und dass ich „so gern schreibe“ war eine ganze Zeit lang geschwindelt.

Aber ich hatte das Glück, die richtigen Menschen zur richtigen Zeit zu treffen (vielleicht engagierten sie mich auch gern, weil ich als junge Frau kein fertiges Bild von meinem Job in meinem Kopf hatte. Es gefiel mir einfach, etwas aus dem Nichts aus dem Boden zu stampfen, dafür nahm ich auch Umzüge in Kauf). Und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Ich habe richtig tolle Jahre im Journalismus erlebt und richtig miese. Während der tollen Zeit hatten die Verlage noch Geduld und Geld, plus die berechtigte Hoffnung, dass ihre neu gegründeten Produkte, die ich mit meinem Team konzipierte, durch die Decke gehen würden. Als MitarbeiterInnen erfuhren wir Wertschätzung nicht nur in Form von Flügen (in der Businessclass) oder üppigen Weihnachtsfeiern, es wurden gar Firmenbeteiligungen (sogenannte „Genussscheine“) ausgegeben. Wir wurden für unseren Einsatz auch entsprechend entlohnt, und Arbeitsmittel und -umgebung waren so, dass sie ein gutes Arbeitsergebnis förderten, nicht verhinderten, wie es dann in der miesen Zeit der Fall war. Wir arbeiteten wahnsinnig gern und das Ergebnis war wahninnig gut (qualitativ und betriebswirtschaftlich). Während der miesen Jahre (zu einer anderen Zeit, in einem anderen Verlag), die Bedingungen waren schon „absurd“ zu nennen, wurde ebenfalls qualitativ Hochwertiges von den MitarbeiterInnen erwartet. Oder man tat so, als setze man auf Qualität. Meine Vermutung ist ja, dass sich das Management schon längst resignierend der Tatsache ergeben hatte, dass unter den sparsamen Umständen nur Mittelmäßigkeit entstehen konnte. Um nicht selbst einer dumpfen Resignation anheim zufallen, kündigte ich.

Ich kündigte übrigens häufig während meiner Karriere, ich glaube, so fünf Mal – meist, ohne schon den nächsten Job in der Tasche zu haben. Nicht weil ich daran dachte, umzusatteln, nö. Das ist mir wirklich nie in den Sinn gekommen. Vielmehr ist mir mein Beruf (den ich übrigens noch so lange ausüben möchte, wie ich noch die Tasten auf der Tastatur meines Laptops treffe) die beste Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln, ich könnte auch sagen: zu wachsen. Oder: Besser zu werden, vielleicht gar zur besten Version meiner selbst zu gelangen. Es muss im Beruf dieses „Etwas“ geben, das einen herausfordert. Immer dann, wenn es nicht mehr gegeben war, habe ich mich auf die erneute Suche danach begeben (und tue es noch).

Ich hätte auch so gehandelt, wenn ich eine Karriere als Tischlerin gemacht hätte oder Weinbauerin. Was bringt einen dazu, zu wachsen? Sicher erstmal Erfolg. Erfolg trägt einen, macht mutig, schafft Selbstvertrauen – aber aus eigener Erfahrung weiß ich: Er trägt nur eine gewisse Zeit lang.

Dass man an Misserfolgen wachsen kann, ist ja schon fast eine Binse. Aber die Kunst besteht ja darin, so viel aus seinem Misserfolg zu lernen, dass man ihn irgendwann in einen Erfolg ummünzen kann, in einer ähnlichen Situation, weil man es nun besser weiß. Auch Turbulenzen lassen einen wachsen. Wie heißt es noch? Die Bäume, die den stärksten Stürmen ausgesetzt sind, haben die dicksten Wurzeln. Dann wäre da noch die Angst. Wo die stärkste Angst ist, da geht’s lang – der Ursprung dieser Erkenntnis wird einem persischen Dichter zugeschrieben. Sie muss nicht für jeden gültig sein, für mich, die den Satz einmal vor Jahren in einem Buch von Thea Dorn gelesen hat, ist es ein Lern- und Lebensmotto geworden. Schon auf der Journalistenschule war meine größte Angst die vor dem Schreiben – dass ich nicht fähig wäre, das, was ich sagen möchte, fesselnd in Worte zu fassen. Mein damaliger Lehrer war der für sein messerscharfes Ausdrucks- (und Urteils-)vermögen berüchtigte Journalist Wolf Schneider (Bestseller: „Deutsch für Profis“). Mir traten schon die Schweißperlen auf die Stirn, wenn er morgens den Raum betrat. Heute ist das Schreiben das, was mich durch den Tag trägt und beflügelt.

Wenn wir den Beruf gefunden haben, den wir lieben, sollten wir nicht über die Umstände jammern – sondern das hinter uns lassen, was uns daran hindert, unseren Beruf so auszuüben, dass er uns zum Wachsen bringt. Welcher Teil an unserem Beruf ist das? Das sollten wir uns fragen. Gerade schreibe ich eine Biografie über einen Mann, der es vom kleinen Marktständler zu einem der größten Lebensmittelhändler gebracht hat. Sein Lebensmotto: „Wenn du Talente hast: Nutze sie für dich und für andere.“ Als sehr junger Mann musste er sich aus der engen Bindung mit seinen Eltern lösen, um seine Talente entfalten zu können. Das war schmerzhaft und er hat seine Unabhängigkeit erstmal mit sehr viel Arbeit bezahlen müssen. Heute, mit über Achtzig, arbeitet er immer noch – nicht, weil er muss, er muss das schon lange nicht mehr – sondern weil es ihm Freude macht. Was will man mehr von seinem Beruf erwarten?

 

Bettina Wündrich, 1960 geboren, war Gründerin und Chefredakteurin z.B. von GLAMOUR und emotion. Heute ist sie Buchautorin („Einsame Spitze“ und „Hochglanz“, beide Rowohlt) und schreibt Essays (viele für die MADAME). Erst vor kurzer Zeit hat sie entdeckt, wie spannend Ghostwriting ist – „weil man wie ein Schauspieler komplett in die Haut eines anderen Menschen schlüpfen muss, um ihn zu verstehen“. Ihr jüngstes Buch verfasste sie mit der Fitness-Influencerin Sophia Thiel, „Come back stronger“ (ZS Verlag), es erscheint am 07.05.21.

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