Qualitäts-Content ist wichtiger denn je. Deshalb vermittelt SCRIBERS[HUB] erstklassige TexterInnen, AutorInnen und JournalistInnen für jede Branche, jedes Thema, jeden Kanal. In der Interview-Reihe „Content-Buzzer“ stellt Sabine Fäth – Gründerin von SCRIBERS[HUB] – Kommunikationsprofis alle 14 Tage diese Fragen…
Lena Wittneben Systemische Coach & Gedächtnistrainerin, Autorin, Moderatorin & Speaker
1. Was bedeutet Content für Dich?
Puh, das ist eine große Frage! Ich versuche, mich mal konkret zu fassen. Ich liebe Content in ganz unterschiedlichen Formen – früher waren es zum Beispiel auch einfach schöne Bilderstrecken in Printmagazinen, als Teenager habe ich mir immer die Max gekauft. Die Zeitschrift MAX war für mich damals Anfang der Neunziger das Nonplusultra – eine perfekte Mischung aus Stil, Substanz und Zeitgeist. Sie hat Maßstäbe gesetzt, war visuell und inhaltlich „state of the art“ und hat mich mit ihren hochwertigen Bilderstrecken und gut kuratierten Stories regelrecht in den Bann gezogen, fühlte mich total „erwachsen“ 😉 als Leserin des Heftes, soviel Einblick in mir ferne Welten.
Heute bin ich seit Jahren ein totales Podcast-Fangirl, liebe auditiven Hintergrund, gern auch in erhöhter Geschwindigkeit, verschlinge ebenso jeden Morgen mehr als eine Handvoll Newsletter und scrolle (mal mit mehr, mal mit weniger) Begeisterung durch LinkedIn und kaufe immer noch viel zu viele Bücher auf einmal, die sich stapeln und mein „Tsundoku“ weiter nähren 😄 (ein japanischer Begriff, der die Angewohnheit beschreibt, Bücher zu kaufen, sie aber ungelesen zu lassen und sie stattdessen auf Stapeln anzuhäufen). Bei Büchern bin und bleibe ich „Haptikerin“ und liebe es, etwas in den Händen zu halten, Papier, zu blättern. Ein E-Reader kommt für mich – trotz vieler Vorteile – einfach nicht in Frage.
Content ist für mich mehr als nur Information – er ist eine Brücke zwischen Menschen, ein Werkzeug zur Inspiration und gerade auch auf LinkedIn eine Möglichkeit, echte Verbindungen herzustellen, wenn es z.B. darum geht, dass ich meine „helenas Dinner“ Abende ankündige, die auch immer einen thematischen – „content“- Aufhänger haben.
Guter Content berührt, regt zum Nachdenken an und bleibt im Gedächtnis. Und genau da liegt für mich der Unterschied zwischen beliebigem Content und wirklich gutem Content: Er ist nicht generisch, nicht austauschbar, nicht einfach nur eine weitere Worthülse im ohnehin schon überfüllten Info-und-Poser-Dschungel.
Ich liebe es, wenn mich ein Inhalt überrascht, wenn er mir neue Perspektiven aufzeigt – gerade bei Themen, mit denen ich mich intensiv beschäftige und mein Brot mit verdiene: Arbeitsorganisation, Selbstmanagement und Persönlichkeitsentwicklung. Stichworte wie Fokus, Konzentration, Produktivität, mentale Erholung, Sichtbarkeit, Innovation, generative KI, Netzwerken, neues Arbeiten begleiten mich täglich. Doch wenn jemand es schafft, mir dazu eine ECHT neue Facette zu zeigen, einen unerwarteten Blickwinkel zu eröffnen, dann bin ich sofort begeistert.
Auch großartig: wenn Content mich dazu bringt, über Dinge nachzudenken, über die ich bisher gar nicht reflektiert habe, z.B. das so breite Feld von Facetten der Diversität. Ein starkes Zitat, eine kluge Beobachtung, ein Perspektivwechsel – das sind die Inhalte, die hängen bleiben, eben alles was emotional ist. Und wenn sie mich dann noch zu einem ganz neuen Thema, einer neuen Idee oder einer Person führen, die ich vorher nicht auf dem Zettel hatte (vielleicht sogar nicht so richtig aufs Fell gucken konnte) – dann ist Content für mich wirklich gelungen.
2. Was war der schlechteste Content, dem Du begegnet bist?
Ich tue mich schwer damit, von „schlechtestem Content“ zu sprechen – niemand liefert immer nur Gold ab, mich eingeschlossen. Natürlich kann und muss nicht jeder Inhalt das sogenannte buddhistische Sieb erfüllen (Ist es wahr? Ist es richtig? Ist es wichtig?). Aber es gibt Content, der mich nervt, weil er schlicht beliebig, austauschbar oder seelenlos ist.
Besonders schlimm finde ich:
- Platte Clickbait-Artikel, die nicht halten, was sie versprechen.
- KI-generierte Texte ohne Tiefgang, die sich wie ein zusammengewürfelter Mix aus Buzzwords lesen.
- Inflationär eingesetzte Authentizität als Stilmittel wirkt genauso generisch wie das Wort „Inspiration“, das inhaltsleere Motivationsposts flutet. Echte Authentizität zeigt sich in Tonalität, Stil und Sound – spürbar zwischen den Zeilen.
- Das typische Social-Media-Coaching-Geschmäckle: Ich könnte auf LinkedIn und Instagram sicher viel mehr Follower und Interaktion haben, wenn ich nach den typischen Regeln dieses Coaching-Stils posten würde – mit künstlich „authentischem“ Storytelling und standardisierten Engagement-Hacks. Aber genau das finde ich ganz, ganz furchtbar. Ich bleibe bewusst bei meiner eigenen Tonalität und grenze mich klar von diesem austauschbaren Coaching-Sprech ab.
- Diese anbiedernde Schlussformel „Dein“ oder „Deine“ am Ende eines Posts – ich werde lieber im Plural angesprochen und will zudem keine Gefälligkeit und Einschmeichelei.
- Das unreflektierte Reproduzieren von Personal-Branding-Tipps, die sich anfühlen wie ein Baukasten für Austauschbarkeit: generische Call-to-Action à la „Na, wie seht ihr das? Schreibt’s in die Kommentare!“ – wenn ein Beitrag wirklich resoniert, kommen die Reaktionen von allein.
- Übertriebenes Selbstmarketing, insbesondere wenn Leute auf LinkedIn ihre Referenzen und Testimonials posten.
- Fehlende Quellenangaben bei Zitaten! Ein Fremdscham-Moment ist, wenn jemand ein großes Zitat postet, ohne anzugeben, woher es stammt. Ich denke mir dann oft: „Ach, das ist von DIR? Ich dachte immer, das wäre von Gandhi, aber okay, ich kann mich täuschen.“ Wolf Lotter hat es mal treffend formuliert: „Inspirieren heißt anstecken, nicht einstecken!“
- Permanente Verwendung von Anglizismen oder das Bedienen an Worten aus Subkulturen, denen man selbst nicht angehört. Wenn jemand auf LinkedIn plötzlich von „Vibes“ und „Energy“ spricht oder sich völlig unironisch an Slang aus Hip-Hop-, Gaming-Communities bedient, um „cooler“ zu wirken, dann wird es unangenehm.
- Selbstverliehene Labels. Wenn jemand in einem Post betont, wie cool, witzig oder charismatisch er oder sie ist – das sind Zuschreibungen, die immer von anderen kommen sollten. Wer sich selbst solche Eigenschaften attestiert, wirkt selten überzeugend, sondern eher bemüht. Und jetzt kommt die Coachin in mir durch: Auch Content, der uns aufregt oder den wir als schlecht empfinden, kann ein Spiegel sein. Warum stört mich dieser Post? Verkörpert die Person, das Thema oder die Haltung vielleicht etwas, das ich an mir selbst nicht mag oder nicht wahrhaben will? Oder steht sie für etwas, das ich vielleicht selbst gern zeigen oder sein würde – es mich aber (noch) nicht traue? Auch solche Gedanken sind wertvoll und sagen oft mehr über uns selbst aus als über den eigentlichen Content.
Und jetzt zum Wesentlichen: Womit beschäftige ich mich lieber?
Mit gutem Content. Was macht für mich guten Content aus?
Guter Content hat für mich vor allem Persönlichkeit. Ich liebe es, wenn zwischen den Zeilen Haltung durchblitzt, Humor und Selbstironie spürbar sind und wenn jemand den Mut hat, einen echten Standpunkt zu vertreten.
Meine persönlichen Highlights für großartigen Content:
- Die LinkedIn-Postings von Hans Rusinek – ein Grund allein, auf der Plattform zu sein.
- Die sprachliche Finesse und Eloquenz in „Apokalypse & Filterkaffee“ von Micky Beisenherz (auch seine Stern-Kolumne).
- Die messerscharfe Beobachtungsgabe eines Benjamin von Stuckrad-Barre.
- Die (zumindest vor seinem Eklat) herrliche Ironie eines El Hotzo auf Instagram.
- Die Perspektiven und herrliche Unaufgeregtheit von „Ein guter Plan“, „Neue Narrative“ (jeweils Magazin, Insta- und LinkedIn-Accounts) oder das „Lean-Prinzip“.
- Wortneuschöpfungen, die Zustände oder Dinge beschreiben, die wir alle kennen, aber für die es bisher kein Wort gab.
Ich liebe es, wenn Content mit Wortwitz, Tempo und kognitiver Flughöhe daherkommt, gleichsam ohne sprachlichen Dünkel.
Weitere Podcasts & Formate, die ich liebe:
- „Richbard, wo erreiche ich dich?“ – Andreas O. Loff & Ingmar Stadelmann dampfen Lanz & Precht runter.
- „Echtzeit“ (Deutschlandfunk Kultur) – Ein Magazin-Podcast, der mit kurzweiligen, klug kuratierten Beiträgen den Zeitgeist einfängt und gesellschaftliche Trends aus vier überraschenden Blickwinkeln beleuchtet.
- „Die sogenannte Gegenwart“ (ZEIT Podcast) – Ein kluger, feuilletonistischer Blick auf unsere Gegenwart, der Popkultur, Gesellschaft und Zeitgeist mit analytischer Schärfe verbindet.
- „Flexikon“ – Ein SO unterhaltsamer Podcast von zwei unfassbar humorig-eloquenten NDR-Moderatorinnen, der Begriffe und Konzepte unseres Alltags hinterfragt, humorvoll dekonstruiert und dabei klug Wissen vermittelt.
- „Feels the news“: Ein reflektierter und pointierter Podcast von Sascha und Jule Lobo, der aktuelle gesellschaftliche und politische Themen emotional einordnet und klug analysiert.
Und trotz der geschrumpften Aufmerksamkeitsspanne: Ich will Content, der in die Tiefe und Breite geht!
3. Wie gelingt guter Content in Zeiten von ChatGPT und Co.?
Das ist wohl die Gretchenfrage. Ich liebe Sprache, ich schreibe seit Kindertagen (damals waren es Fabeln ;), heute darf ich als freie Autorin u.a. für SPIEGEL online Job & Karriere schreiben hatte, hab für GQ Business geschrieben, hatte eine eigene Reihe auf capital.de.
Und vor sieben Jahren habe ich übrigens als Co-Autorin einen Ratgeber im Campus-Verlag veröffentlicht – der lag leider wie Blei in den Buchhandlung Regalen (jedoch wurde der Titel Jahre später für den chineischen Markt lizensiert!) Da fällt mir just noch was in Sachen „guter Content, schlecher Content“ ein: Natürlich gehört es zu gutem Content, authentisch von Fehlern, Fehltritten oder Misserfolgen zu berichten. Was ich aber wenig leiden kann, ist die inflationäre Inszenierung von angeblichen Fails und Fuck-ups auf Social Media, bei der vermeintliche Authentizität als bloßes Stilmittel missbraucht wird, um sich selbst letztlich doch wieder als Erfolgsgeschichte zu inszenieren.
Kurz um: ich schreibe so gern und ich möchte nicht, dass mir Large-Language-Modelle diese Arbeit abnehmen. Aber ich nutze sie durchaus als Sparringspartner: zur Recherche, um Texte zu straffen, oder wenn ich einen langen Artikel in verschiedene Content-Formate herunterbrechen will.
Content durch und mit generativer KI ist auch nur so gut, wie der Mensch, der sie nutzt. Wer nicht prompten kann, wer nicht kritisch hinterfragt, vergleicht und prüft, der wird auch keinen wirklich guten Output bekommen. Werkzeug eben. Nicht mehr und nicht weniger.
4. Vervollständige den Satz: Content ist immer…
… eine Einladung. Eine Einladung zum Denken, zum Diskutieren, zum Fühlen, zum Weiterdenken. Egal ob Newsletter, Social-Media-Post, Printartikel, Buch oder Podcast – Content kann informieren, unterhalten, inspirieren oder zum Handeln motivieren. Bestenfalls tut er sogar alles auf einmal.
Guter Content hat eine Seele, eine Haltung. Er ist mehr als bloße Worte oder hübsch designte Slides – er bleibt hängen. Weil er eine neue Perspektive eröffnet, weil er einen Nerv trifft, weil er Gedanken anstößt, die nicht sofort wieder verpuffen.
Und ganz ehrlich? Ich liebe es, wenn Content mich überrascht. Wenn er mir ein Wort oder einen Begriff schenkt, den ich noch nicht kannte, der aber perfekt beschreibt, was ich schon tausendmal gefühlt habe. Wenn er mir das Gefühl gibt, verstanden zu werden – oder mich dazu bringt, eine Sache völlig neu zu sehen.
Content ist immer das, was bleibt, wenn der Feed schon längst weitergescrollt ist. Vielen lieben DANK für Deine tollen Fragen, liebe Sabine, ich freu mich, dass ich dabei sein darf! Und da ich meine LinkedIn Posts gern mit einem Zitat abschließe, auch hier berühmte letzte Worte von Mark Twain:
„The difference between the almost right word and the right word is really a large matter – ’tis the difference between the lightning bug and the lightning.“
P.S…..ich hoffe das war / ist für Euch jetzt einigermaßen gelungener oder zumindest unterhaltsamer Content 😉